Christian Bangel liest am Dienstag, den 22. November 2022 um 18 Uhr, in der Stadtbibliothek Rathenow aus seinem Nachwenderoman „Oder Florida“.Der Begriff „Baseballschlägerjahre“ ist zum Synonym für rechte Gewalt in Ostdeutschland in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Fall der Mauer geworden. Geprägt hat den Begriff der Zeit-Journalist Christian Bangel.
Im Rahmen der „Gespräche am Schleusenplatz“ und der von der Phronesis Diskurswerkstatt veranstalteten „Leselandpartie 2022“ ist Christian Bangel am 22. November in Rathenow zu Gast. Bangel wird aus seinem 2017 erschienenen Roman „Oder Florida“ lesen – eine autobiografisch gefärbte Geschichte über eine Jugend Ende der 90er-Jahren in Frankfurt (Oder). Die 90er-Jahre, das waren nicht nur Loveparade und die nachrevolutionäre Euphorie der Freiheit. Die 90er, das war die Zeit der Angriffe auf Asylbewerber und vietnamesische Vertragsarbeiter wie in Solingen, Mölln, Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen. Vor allem im Osten war der politische Mainstream unter Jugendlichen deutlich rechtsradikal. Und es war die Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs der neuen Bundesländer. Von den von Helmut Kohl versprochenen „Blühenden Landschaften“ keine Spur.Christian Bangel, Jahrgang 1979, ist in Frankfurt (Oder) aufgewachsen und hat die „Baseballschlägerjahre“ hautnah miterlebt. In seinem Roman hat er diese Zeit verarbeitet. Die Enttäuschungen im Osten, das Erstarken der Neonazi-Szene und die Ignoranz in Westdeutschland über das, was in den neuen Bundesländern passierte. Vor drei Jahren startete Bangel einen Twitter-Aufruf und forderte die Nutzer auf, ihre Erlebnisse mit rechter Gewalt aus dieser Zeit zu erzählen. Daraus entstand später die in Zusammenarbeit mit der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom RBB gedrehte Dokumentationsreihe unter dem Titel „Baseballschlägerjahre“.
Der Eintritt zu dieser Lesung ist frei.
Die zweite Buchlesung findet am 2. Dezember 2022 um 19 Uhr im Modehaus Wendt, in der Berliner Straße, statt. Die Autorin Emine Sevgi Özdamar liest dort aus ihrem Roman „ Ein von Schatten begrenzter Raum“.
Nach dem Putsch 1971 hält das Militär nicht nur das Leben, sondern auch die Träume der Menschen in der Türkei gefangen. Künstlerinnen und Künstler, Linke, Intellektuelle fürchten um ihre Existenz; auch die Erzählerin, die aus Istanbul übers Meer nach Europa flieht. Im Gepäck: der Wunsch, Schauspielerin zu werden, und das unbedingte Verlangen, den so jäh gekappten kulturellen Reichtum ihres Landes andernorts bekannt zu machen und lebendig zu halten, ohne sich im »Tiergarten der Sprachen« auf die bloße Herkunft beschränken zu lassen. Und dort, inmitten des geteilten Berlins, auf den Boulevards von Paris, im Zwiegespräch mit bewunderten Dichtern und Denkern, findet sie sich schließlich wieder in der »Pause der Hölle«, in der Kunst, Politik und Leben uneingeschränkt vereinbar scheinen.
Emine Sevgi Özdamars neuer Roman ist das vielstimmige Loblied auf ein Nachkriegseuropa, in dem es für kurze Zeit möglich schien, allein mit den Mitteln der Poesie Grenzen einzureißen. Er ist der sehnsuchtsvolle Nachruf auf die Freunde, Künstler, Bekanntschaften, die sie auf ihrem Weg begleiteten. Vor allem aber ist er die wortgewaltige Eröffnung eines Raums zwischen Bedrohung und Geborgenheit, eines von Schatten begrenzten Raums.
Emine Sevgi Özdamar wuchs in Istanbul auf, wo sie die Schauspielschule besuchte. Mitte der siebziger Jahre ging sie nach Berlin und Paris und arbeitete mit den Regisseuren Benno Besson, Matthias Langhoff und Claus Peymann. Sie übernahm zahlreiche Filmrollen und schreibt seit 1982 Theaterstücke, Romane und Erzählungen. Emine Sevgi Özdamar lebt in Berlin.
Diese letzte Veranstaltung der diesjährigen „Gespräche am Schleusenplatz“ findet nicht in der Bibliothek statt. Stattdessen wird das Ladenlokal des Modehaus Wendt in der Berliner Straße zum Veranstaltungsort.
Durch die großen Schaufenster ist die Veranstaltung auch von der Straße aus zu sehen. Die Idee dahinter ist es, Kultur- und Diskussionsveranstaltungen sichtbarer zu machen. In den dunklen Adventstagen, wird so die Innenstadt – auch nach Ladenschluss – zum Anziehungspunkt.
Der Eintritt ist hier ebenfalls frei.